Den Moodring, auf den ich angesprochen werde
18. Dez. 2022 um 19:00
habe ich gleich am Anfang bekommen, beim Einlass. Es war ein soft Einlass, oder sanft, oder smooth, oder so ähnlich, das heißt, er ging 45min lang. Die Performerin Nadja Sühnel, die Werkstatt: Sad Girl Theater im Leipziger LOFFT zeigt, ist schon die ganze Zeit da. Ich bin als erster drinnen, werde ausführlich begrüßt, kriege den Moodring und darf mir einen Platz aussuchen. Ich setze mich auf einen Sitzsack und bin ganz glücklich darüber, dass es das gibt. Meine Mood ist, dass ich es mir gemütlich machen will. Wir reden über die Farbe, die der Moodring auf meinem Finger annimmt (blau) und ich erfahre, dass ich auch die Augen zumachen und einfach zuhören darf, oder generell das machen soll, was sich gut anfühlt.
Nach und nach kommen die anderen Zuschauer*innen ganz sanft herein, es wird eng auf dem Sitzsack, das war mir nicht klar, dass es eng werden, sich so anfühlen würde! Viele sind zu zweit oder zu dritt, ich bin allein, meine Mood ist jetzt langsam auch lonely. Der Softeinlass dauert so lange, dass man Zeit hat, dabei wirklich in sich zu gehen. Die Performance beginnt endlich. Es gibt lange, stille Szenen mit traurigen Smileys am Fenster, Musik, Filmsequenzen zum Themenfeld Sad Girl, ich erkenne zum Beispiel Sad Girls of the Mountains von Candy Flip und Theo Meow.

Eine Woche später bin ich beim FlashOver, einem Netzwerktreffen für die freie Szene in Leipzig, dort spricht miche eine Person an: Warst du neulich im LOFFT?
Der Ring ist mir den ganzen Tag vom Finger gerutscht und ich musste ihn ständig suchen, dadurch ist er der Person aufgefallen. Wir reden über die Performance. Ich kann nicht soviel dazu sagen, weil ich in der Pause gegangen bin. Es ist mir zuviel geworden, die Enge, die Langsamkeit, die nicht-Handlung, die Einsamkeit, von der es keine Ablenkung gab.
Ist es unsolidarisch, eine feministische Performance in der Pause zu verlassen? Das Publikum wurde von der Performerin eingeladen, sich so zu verhalten, wie es sich gut fühlt; im Zweifelsfall auch, zu gehen. Ich wollte mir das Gehen erst nicht erlauben. Ich dachte, ich müsste durchhalten und eine weibliche Künstlerin durch meine Präsenz unterstützen, ihr meine Energy geben als Zuschauer. Auch wenn offiziell gesagt wird, das Publikum darf jederzeit gehen, weiß die Person ja nicht, wieso ich gehe. Vielleicht denkt sie, es hat mir nicht gefallen usw. Will ich ihr, indem ich meinen Körper dem Raum entziehe, diese negative Botschaft senden?
Es war challenging, mich selbst als ebenbürtig zu sehen: Auch meine Gefühle zählen! Ich kann mich so verhalten, dass es mir gut tut! Wenn ich keine Lust mehr habe, kann ich eine künstlerische Darbietung verlassen! Mein Körper weiß, was ich brauche! Ich bin hier keiner Person was schuldig! Zuhause wartet ein gutes Buch auf mich! Usw
Ein wichtiges Erlebnis also.